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Zur Berichterstattung über den Fall Becker gegen Becker

Wir sahen bisher wenigstens keinen besonderen Anlass auf das Verfahren Becker gegen Becker wegen Trennung/Scheidung, Sorgerecht und Kindesentführung einzugehen. Die in zahllosen inländischen und ausländischen Pressemeldungen geschilderten persönlichen Verhältnisse selbst dieser prominenten Familie sind hier nicht wichtig, sondern nur die durch die Verfahren aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen, so wie sie genau so auch Mutter Musterfrau, Vater Mustermann und ihre Kinder betreffen können und daher von öffentlichem Interesse sind.

Die Wichtigkeit des Schutzes der Privatsphäre in solchen Verfahren, vor allem natürlich jener der an diesem Geschehen nicht aktiv beteiligten, aber davon meist betroffenen Kinder, steht aber für uns außer Frage und bedarf hier keiner Diskussion, auch nicht nach der in Deutschland wohl kaum denkbaren, einschränkenden Entscheidung eines amerikanischen Gerichtes im Falle Becker, nach der die Öffentlichkeit zum Teil wenigstens, und das gegen den erklärten Willen des Vaters, zugelassen wird, oder angesichts der anderswo möglichen Praxis, Gerichtsentscheidungen in Familiensachen mit vollem Namen zu veröffentlichen (nicht nur in den USA, sondern beispielsweise auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte). Es wird damit nicht verkannt, dass volle Öffentlichkeit bei anderen Verfahren durchaus angebracht sein mag. Wer zum Beispiel vor kurzem Live Übertragungen aus den Verhandlungen amerikanischer Höchstgerichte zum dortigen Wahldebakel verfolgt hat, wird wahrscheinlich diesen juristischen Anschauungsunterricht weit höher einschätzen als den Wert des bei uns üblichen, gestellten Fernsehgerichts. Die äußerst wichtige Funktion einer unabhängigen, freien Presse (einschließlich TV, Radio und Internet) bei der öffentlichen Meinungsbildung, bei politischen Entscheidungen, der Aufdeckung von Missständen und der allgemeinen Information ist erst recht unbestritten.

Die Berichterstattung über den Fall Becker gegen Becker hat und wird vermutlich über einige Zeit weiterhin die breite Öffentlichkeit auf Probleme aufmerksam machen, die wir auf unseren Webseiten schon lange diskutieren. Das betrifft insbesonders internationale Kindesentführung und binationale Ehen mit dann oft in beiden Staaten anhängigen Gerichtsverfahren, wie sie zunehmend häufiger auftreten. (Genau genommen ist Frau Becker, entsprechend Presseberichten, das Kind einer deutschen Mutter und eines amerikanischen, seinerzeit in München als Soldat stationierten Vaters, also wahrscheinlich von Anfang an sowohl deutsche als auch U.S. Staatsbürgerin). Gerade darüber ist die Berichterstattung zum Teil leider sehr ungenau, weshalb wir speziell nochmals auf unsere ausführlichen Informationen zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen internationaler Kindesentführung hinweisen möchten.

Wir gehen (ohne direkte, eigene Informationen) davon aus, dass Herr Becker, genau so wie das "Herr Mustermann" machen kann, einen Antrag auf sofortige Rückführung der Kinder bei der zuständigen Zentralen Behörde, entsprechend dem Haager Übereinkommen gestellt hat. Diese Behörde ist in Deutschland, nach den deutschen Ausführungsbestimmungen, Gesetz zur Ausführung von Sorgerechtsübereinkommen und zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie anderer Gesetze vom 5. April 1990, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten nach dem Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz vom 13. April 1999 (SorgeRÜbkAG), beim Generalbundesanwalt [Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Heinemannstrasse 6, D-53175 BONN, Tel.: +49 (228) 580, fax: +49 (228) 584800] angesiedelt. Berichte, insbesondere in der ausländischen Presse, wonach Herr Becker das deutsche Höchstgericht oder den Generalstaatsanwalt (German chief federal prosecutor ) angerufen hat, sind demnach blanker Unsinn.

Zunächst handelt es sich um eine Behörde die den Antrag lediglich bearbeitet und dann an die zuständigen Stellen weiterleitet, im vorliegenden Fall also an die Zentrale Behörde in den USA. Diese (Office of Children Issues) ist nach den amerikanischen Ausführungsbestimmungen zum Haager Übereinkommen im amerikanischen Außenministerium (Department of State) angesiedelt. Deren Aufgabe bei Rückführungsersuchen aus dem Ausland wurden jedoch weitgehend einer privaten, gemeinnützigen Organisation, National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) in Alexandria, Virginia, übertragen, über die wir ebenfalls schon wiederholt berichtet haben, zuletzt anlässlich des dort im Nov. 2000 abgehaltenen ,,Second International Forum on Parental Child Abduction: Identifying Best Practices in Hague Convention Cases". Die Entscheidung über den Rückführungsantrag fällt aber allein das zuständige amerikanische Gericht. Ferner ist zu beachten, dass es dabei ausschließlich um die zivilrechtlichen Aspekte einer Kindesentführung geht. Nach dem deutschen Strafgesetz ist Kindesentzug (§ 235 StGB [Entziehung Minderjähriger]) in den meisten Fällen kein Offizialdelikt, erfordert also zur Strafverfolgung einen Antrag. Ein solcher wurde, soweit wir wissen, im vorliegenden Falle aber nicht gestellt.

Die Aufgaben der Zentralen Behörden sind im Haager Übereinkommen geregelt, siehe insbesondere Art. 7, 9, 10. Im Detail unterscheiden sie sich jedoch nach den nationalen Ausführungsbestimmungen. Das betrifft etwa die Kostenübernahme des Verfahrens oder die Beschränkung auf eine Vermittlerrolle, statt direkter Beauftragung eines Anwaltes oder direkter rechtlicher Vertretung des Antragstellers durch die Behörde. Besonders zu beachten ist dabei (auch angesichts der erheblichen Kritik an der bisherigen deutschen Handhabung des Übereinkommens), dass es dabei allein um die rasche Rückführung der Kinder in den Staat ihres gewöhnlichen Aufenthaltes geht und nicht um eine Sorgerechtsentscheidung (Art. 19). Wenn das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten des Kindes im Sinne von Art. 3 des Übereinkommens mitgeteilt wurde, darf nach Art. 16 eine Entscheidung über das Sorgerecht erst getroffen werden, wenn entschieden ist, dass das Kind aufgrund dieses Übereinkommens nicht zurückzugeben ist (entsprechend den Ausnahmebestimmungen des Art. 13), oder wenn innerhalb angemessener Frist nach der Mitteilung kein Antrag nach dem Übereinkommen gestellt wird (vgl. Art. 12). Auch im Falle Becker gegen Becker muss also zunächst (unabhängig von der Staatsbürgerschaft) festgestellt werden, wo der gewöhnliche Aufenthaltsort der Kinder ist (Deutschland oder USA?) und dann ob Art. 3 erfüllt ist. Danach sollte entsprechend Art. 11 mit gebotener Eile (möglichst innerhalb von sechs Wochen nach Antragstellung) über eine Rückführung entschieden werden. Die USA gehören allerdings auch nicht zu den Spitzenreitern bei der prompten Rückführung, wie es das Haager Übereinkommen fordert. Das liegt sicher auch daran, dass es keine Zentralisierung auf wenige Gerichte und dafür hoch spezialisierte Richter/innen gibt. Eine solche vielversprechende Maßnahme, ähnlich wie sie etwa in England/Wales schon lange besteht, wurde vor einiger Zeit in Deutschland eingeleitet. Für Boris (oder Nina) Normalverdiener aus dem Ausland besteht in den USA leider meist auch ein erhebliches finanzielles Problem bei der Durchsetzung eines Rückführungsantrages, da die USA (wie auch Deutschland, aber anders als etwa England/Wales und manche im Vergleich dazu sehr arme Staaten) einen Vorbehalt gegen die in Art. 26 vorgesehene Kostenübernahme erhoben haben.

Außer dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung gibt es, in erster Linie innerhalb Europas, eine Reihe von internationalen Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen und die Zuständigkeit der Gerichte. Innerhalb der USA gibt es ebenfalls solche Regelungen ("Uniform Marriage and Divorce Act" oder "Uniform Child Custody Jurisdiction Act") zur Vereinheitlichung und der gegenseitigen Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen aufgrund der in den einzelnen Staaten oft recht unterschiedlichen Statuten. Ohne internationale oder bilaterale Abkommen könnte dann in Anlehnung an diese Regelungen entschieden werden. Auf Details dieser recht komplizierten Materie kann aber hier nicht eingegangen werden. Wir hoffen aber, dass unsere Zusammenfassung bei der Bewertung der bisherigen und noch zu erwartenenden Meldungen zum Fall Becker gegen Becker und ähnlicher Fälle dennoch hilfreich ist.

Eine weitere, kurze Fernsehberichterstattung, direkt zum Thema Kindesentführung, ist übrigens nach einer uns gerade zugegangenen Mitteilung für die Sendung RTL SPIEGEL TV, Sonntag 7.1.2001, 22h10 zu erwarten.

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