Seminar-Bericht:
Typische Blockadesituationen in Sorge- und Umgangsrechtsangelegenheiten
- Gründe, Hintergründe und Möglichkeiten väterlichen Einwirkens -

Am 12./13. April 1997 fand in Gladbeck das VfK-Seminar „Typische Blockadesituationen in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren“ statt. Die fachliche Leitung lag bei dem unabhängigen Münsteraner Kommunikations- und Verhaltenstrainer Herrn Michael Pappert. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Ehe- und Trennungsberatung sowie die Persönlichkeitsentwicklung. Als typische Bereiche für Blockadesituationen wurden die väterliche Emotionslage, die individuell persönliche Lebenssituation, die Beziehung der ehemaligen Lebenspartner zueinander vor und nach der Trennung sowie der Komplex der „offiziellen Scheidungsbegleiter“ behandelt.

Zu Beginn des Seminars galt es jedoch zuerst, eine weitere Blockadesituation zu durchbrechen, nämlich die der Teilnehmer gegenüber den zu vermittelnden Erkenntissen und Informationen. Dies gelang sehr eindrucksvoll durch einen Mix aus Übungen, die ein Erfahren und damit eine Bewußtwerdung der Zusammenhänge ermöglichten, in Verbindung mit kurzen nachgeschalteten theoretischen Betrachtungen aus der Sicht des Experten. Das Seminar kann als voller Erfolg gewertet werden. Alle Teilnehmer fanden sich auch nach einem sehr anstrengenden ersten Seminartag am Sonntag ein und beteiligten sich an den Übungen mit großer Offenheit und persönlichem Engagement. Auch wenn die Veranstaltung nicht der endgültigen Ausarbeitung individueller Einzelstrategien dienen konnte, wurden alle Teilnehmer am Sonntagnachmittag entspannt und mit neuen Perspektiven in das „Leben nach dem Seminar“ entlassen.

Im Verlaufe dieses Wochenendes war es für die Teilnehmer interessant zu erfahren, daß der Grundstein für ihre höchststrittigen Trennungen bereits bei der Wahl ihrer ehemaligen Partnerinnen gelegt worden war. In fast allen Fällen handelte es sich bei deren Ex-Partnerinnen zum Zeitpunkt der Paarbildung um eher „unfertige“ Persönlichkeiten, die zum Teil durch ihr eigenes Elternhaus überbehütet wurden und nun auch diese selbst erfahrene Überbehütung an ihre Kinder weitergeben. Die Kinder bzw. die Beziehung zu ihnen gewinnt auf funktionaler Ebene die Bedeutung einer fortdauernden, unzerstörbaren Liebensbeziehung und persönlichen Sinnerfüllung. Erst damit gelingt der Aufbau eines eigenen Selbstwertgefühles. In diesem Kontext würde ein ungestörter Umgang zwischen Vater und Kind ein Zurückfallen in die eigene „Unfertigkeit“ bedeuten, was aus der Sicht der Frau auf jeden Fall zu verhindern sei. Bei der Wahl der Mittel - z.B. im Rahmen eines Verfahrens - wird auch nicht vor den verwerflichsten Mitteln zurückgeschreckt. Nachfolgend gelte es dann, durch Fortführung des Fehlverhaltens die mütterlichen Vorwürfe „Realität“ werden zu lassen, in vielen Fällen entgegen rudimentärer Ergebnisse psychologischer Gutachten oder gar gegen richterliche Entscheidung.

Selbstverständlich wird hiermit keine allgemeingültige, allumfassende Regel aufgestellt, sondern nur eine Beobachtung bei der Mehrzahl der anwesenden Fälle wiedergegeben. In einem besonderen Fall drängte sich förmlich der Eindruck auf, als sei die Mutter (mit den Kindern) „auf der Flucht“ vor ihrem eigenen betrügerischen Verhalten gegenüber dem Kindesvater.

Für die persönliche Situation der Väter scheint zu gelten, daß Persönlichkeitsmerkmale, die sie ehemals für die „unfertige“ Patnerin so attraktiv gemacht haben, während der Partnerschaft auf diese „übertragen“ wurden. Dieser Merkmale „beraubt“ verharren sie nun in Stillstand bezüglich ihrer eigenen Lebensführung oder begeben sich leider viel zu häufig sogar auf einen verhängnisvollen persönlichen Abstieg. Dieser ist anschließend nur in seltenen Fällen aufzuhalten. Wie das Seminar zeigte, war es für die betroffenen Väter nur sehr schwer möglich, diese Zusammenhänge anzunehmen und kaum möglich, ohne die Hilfe eines anderen die übertragenen Merkmale zu erkennen.

Mit Beteiligung der offiziellen Scheidungsbegleiter an strittigen Umgangs- und Sorgerechtsangelegenheiten vollzieht sich für viele unvorbereitete engagierte Väter ein weiterer verhängnisvoller Schritt. Gemäß althergebrachter und immer noch anzutreffender Sachverständigen-Meinung existiert bei streitigen Scheidungsfamilien ein symbiotisches Mutter-Kind-Verhältnis mit hoher Beziehungsdichte und ein schon zu Zeiten der Familie ambivalentes Vater-Kind-Verhältnis. Hieraus ergibt sich für Sozialdienstmitarbeiter und Richter die logische Folge, daß Mutter und Kind als schützenswerte Restfamilie von vornherein feststehen.

Als Vater hat man sich unabdingbar und immer wieder vor Augen zu halten, daß dieses Mutter- Kind-Ideal in den Köpfen der beteiligten Experten fest verankert, sonst aber nicht materiell greifbar ist. Je heftiger an diesem ideellen Modell gerüttelt wird, desto heftiger ist das System bestrebt, es zu erhalten oder gar erst Realität werden zu lassen!

In diesem Zusammanhang sind alle Begegnungen mit Richtern, Jugendamtsmitarbeitern und psychologischen Sachverständigen als Sammeln von Fakten für eine symbiotische Mutter- Kind-Beziehung und gegen eine Vater-Kind-Beziehung mit hoher Beziehungsdichte zu werten - so die Auffassung der Teilnehmer -, die im Falle des väterlichen Aufbegehrens gegen das System zur endgültigen Degradierung und „Entsorgung“ des Vaters benutzt werden.

Aussicht auf Erfolg im förmlichen Verfahren ist alleine Vätern vorbehalten, die diese Ideologie als gegeben annehmen und sich anschließend im Rahmen dieses Modells paradox verhalten! Die inhaltliche Ausgestaltung des paradoxen Verhaltens ist dann jedoch einzelfallspezifisch.

Eine erfolgreiche Strategie, um die Degradierung der Väter im Ansatz zu verhindern, ist die gedankliche Erweiterung dieses Modells, ohne hierbei das „Sachverständigen-Modell“ zu attackieren! Das erweiterte Modell geht von einer guten Vater-Kind-Beziehung aus, die durchaus schon in der Ehezeit bestanden haben kann. Denn erfahrungsgemäß sind nur die Väter mit einer intensiven Vater-Kind-Beziehung langfristig daran interessiert, die Blockadesituationen im Interesse der Kinder aufzuheben.

Eine weitere positive Strategie ist die Anwendung eines Kinderinterventionsprogramms unter der Anleitung eines Beraters, der das Kind durch ein Selbstbehauptungstraining in der Weise stärkt, daß es in der Lage ist, eine positive Beziehung zum Vater gegenüber den offiziellen Scheidungsbegleitern zu zeigen.

Auch wenn bei einigen Seminar-Teilnehmern kein Kontakt mehr zu ihren Kindern bestanden hat, wurde insgesamt in einer geeigneten Veränderung des eigenen Verhaltens eine Möglichkeit erkannt, die Kinder in der Trennungssituation zu entlasten und hierüber die Beziehung zueinander sogar zu stärken! Leider wurde aus dem Teilnehmerkreis aber auch berichtet, daß entsprechende positive Äußerungen des Kindes pro Vater im Verfahren "überhört" wurden und bei entgegenlautender Entscheidung nicht weiter in Erscheinung getreten sind.

Abschließend sei angemerkt, daß der Väter für Kinder e.V. seine eigenen Beobachtungen durch die Behandlung dieses Themas im Seminar bestätigt findet und sich in seiner kritischen Auffassung gegenüber der herrschenden Rechtspraxis bekräftigt fühlt. Dies gilt insbesondere auch gegenüber den aktuellen Reformbestrebungen des Familienrechts. Die politische Weigerung, den Begriff des „Kindeswohles“ auch im sogenannten Familienreformgesetz zu konkretisieren, zeigt in aller Deutlichkeit die Existenz des beschriebenen ideellen Modells entgegen besseren Wissens auch auf anderer Ebene. Somit wird es aber auch nach wie vor grundsätzlich möglich bleiben, aus dem obigen Modell heraus gefällte unsachgemäße Entscheidungen mit dem unverbindlichen Begriff des "Kindeswohl" formelhaft zu begründen.

Siegfried Fronzek



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