KIND - FAMILIE - MENSCHENRECHTE

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                                 Väter für Kinder e.V.
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Nummer 7/98
verantwortlich i. S. d. P.: Dr. A. Schneider / Vorsitzender


 

 Neues BGH-Urteil über die Haftung von Sachverständigen

Der Hamburger Rechtsanwalt Peter Breiholdt berichtete in der FAZ vom 22.5.1998 über ein neues BGH-Urteil, das die Haftung von Sachverständigen zugunsten einer verbesserten Schutzwirkung für Dritte erweitert (Aktenzeichen XZR 144/94). Die vom Gericht zu entscheidende Frage war, ob und in welchem Umfang der Sachverständige nicht nur seinem Auftraggeber, sondern auch Dritten gegenüber schadenersatzpflichtig ist, wenn sich sein Gutachten als falsch herausstellt. Das Urteil: Erweist sich das Gutachten als unrichtig, haftet der Sachverständige auf Schadenersatz. Er kann sich nicht darauf berufen daß die Fehlerhaftigkeit seiner Bewertung auf Angaben seines Auftraggebers beruht, die er nicht habe prüfen müssen. Er muß alle Angaben prüfen. Ein Gutachter muß bereit sein, auch gegenüber Dritten einzustehen, andernfalls würden Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Geschäftsverkehr bedeutungslos. [siehe Anmerkung]

Ist dieses Urteil ein Hoffnungsschimmer für jene Scharen getrennt oder geschieden lebender Eltern, die von den Familiengerichten aufgrund psychologischer Sachverständigengutachten ihrer Elternverantwortung beraubt werden und deren Umgangsrecht mit ihren Kindern auf ein Minimum herabgesetzt oder ganz ausgeschlossen wird? Leider nein. In dem berichteten Urteil ging es um die Haftung von Sachverständigen in einer Immobiliensache, und nur dafür setzt es einen Maßstab. Das Urteil bewegt sich in der Tradition des BGB von 1900, wonach Vermögensschäden perfekt geregelt werden. Bei psychologischen Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht geht es aber nicht um Vermögenswerte, sondern um Menschenrechte, um die gesunde Entwicklung von Kindern und um die Liebe zwischen Eltern und Kindern. Diese Dinge lassen sich nicht in Geld ausdrücken.

Die Verantwortung der psychologischen Sachverständigen ist nicht geringer als die der Immobiliensachverständigen. Fehlurteile können sich verhängnisvoll für Kinder und Eltern auswirken. Trotzdem gilt nach wie vor, was der Kinderpsychologe Uwe Jopt in seinem Buch "Im Namen des Kindes" geschrieben hat: Der Beruf des psychologischen Sachverständigen in Kindschaftssachen ist einer der bequemsten, die es in unserem Land gibt. Wer wüßte einen Beruf, der auch nur annähernd ein so sanftes Ruhekissen bietet wie dieser? Die Haftung für Schäden aufgrund eigener Fehlurteile ist gleich null. Weder mangelnde Sachkenntnis noch mangelnde Erfahrung noch mangelnde Sorgfalt können ihm etwas anhaben. Nichts von alledem ist ein Ablehnungsgrund. Unabhängig vom Sachgehalt ihrer Gutachten werden psychologische Sachverständige bezahlt, und zwar nach Seiten. Auch der gröbste Unsinn muß bezahlt werden. Je Seite können gut 100 DM veranschlagt werden. Das ist der Grund, weshalb viele psychologische Gutachten mit Belanglosigkeiten und umfangreichen Anleihen aus den Gerichtsakten zu langatmigen Ergüssen aufgeblasen werden.

In der Tat sind die gerichtsüblichen Anforderungen an kinderpsychologische Gutachten minimal. Welcher Familienrichter kennt schon die "Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten" des Berufsverbandes Deutscher Psychologen e.V., in denen einige grundlegende Anforderungen formuliert sind, oder die wesentlich genaueren Forderungen von Klenner, "Vertrauensgrenzen des psychologischen Gutachtens im Familienrechtsverfahren", in FamRZ 1989, S. 804?

Solange der Beruf des psychologischen Gutachters ein derart sanftes Ruhekissen ist, wird es bei der Feststellung eines angesehenen Familienrichters bleiben, der sagte, er wisse, welchen Gutachter er fragen müsse, um eine bestimmte Empfehlung zu erhalten. Mit anderen Worten: Es kommt in erster Linie auf den Gutachter an; der Sachverhalt ist zweitrangig.

Die Diskrepanz zur erweiterten Haftpflicht des Sachverständigen in Bausachen könnte nicht auffälliger sein. In Geldsachen haftet der Sachverständige streng, in Kindschaftssachen gar nicht.
 

Anmerkung (Webmaster): Zur Haftung gerichtlicher Sachverständiger erging bereits 1978 die sogenanteWeigand-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit der eine Entscheidung des BGH, der diese verneinte, aufgehoben wurde.

  • Zur Haftung des Sachverständigen bei Falschbegutachtung:
  • 1. Eine aus BGB § 823 Abs 1 folgende Haftung wegen Verletzung des Rechts der persönlichen Freiheit darf durch den Richter nicht dahin eingeschränkt werden, daß ein gerichtlich bestellter Sachverständiger selbst für die Folgen einer grob fahrlässigen Falschbegutachtung nicht einzustehen habe.
  • Das Studium des gesamten Urteils ist zu empfehlen, auch wegen der darin beschriebenen bizarren Vorgänge.
    Aus den Gründen:
    Der beschwerdeführende Kläger des Ausgangsverfahrens hatte im Zusammenhang mit seinem Versuch, wegen des
    Verdachts der Tötung eines Rechtsanwalts ein Ermittlungsverfahren in Gang zu bringen, den Verfolgungsbehörden öffentlich
    Verschleierung vorgeworfen. Im Zuge eines Strafverfahrens wegen übler Nachrede und anderer Delikte wurde er zur
    Begutachtung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf die Dauer von sechs Wochen in eine Universitätsklinik für
    Psychiatrie und Neurologie eingewiesen, deren Direktor der Beklagte des Ausgangsverfahrens war. Dieser wurde vom Ermittlungsrichter zum medizinischen Sachverständigen bestellt. ........

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