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Definition des Parental Alienation Syndroms und Symptomliste

    Das ist ein Einwand der insbesondere gegen die Arbeiten des Psychiaters Prof. Richard Gardner erhoben wurde, der den Begriff etwa 1984 einführte. Manche Autoren versuchen dieser Kritik zu entgehen indem sie zumindest den Term "Syndrom" weglassen, der im medizinischen Sinne die Gruppe empirisch bestätigter Symptome einer bestimmten Krankheit bezeichnet. [Vgl. aber auch Darnall, der den Begriff Parental Alienation (PA), allgemeiner, auch für ein leichteres Frühstadium, noch vor aktiver Beteiligung des Kindes, verwendet. Er will damit auf die Rolle der Eltern bei der Entfremdung besonders hinweisen.]

 DSM-IV und ICD-10 spielen eine wichtige Rolle bei der psychiatrischen Klassifizierung von Persönlichkeitsstörungen und deren Anerkennung durch die Krankenversicherungen. Verständlicherweise wird daher bei der Aufnahme von Krankheiten in diese Zusammenstellungen äußerst konservativ vorgegangen.  Derzeit sind Bestrebungen im Gange PAS in die nächsten Ausgaben dieser Werke aufzunehmen.

Solange aber Sorgerechtsgutachten nicht auf Krankenschein zu haben sind, ist es nicht notwendig DSM oder ICD Diagnosen in Sorgerechtsstreiten zu erheben, wie auch die offiziellen Richtlinien der American Academy of Child & Adolescent Psychiatry betonen. Parental Alienation ist in diesen Richtlinien zur Sorgerechtsbegutachtung (Summary of the Practice Parameters for Child Custody Evaluation, 1997) enthalten. Auch in den "Guidelines for Child Custody Evaluation in Divorce Proceedings" der American Psychological Association, Washington, DC (1994) finden sich Hinweise auf Gardners Werk, ebenso bereits 1988 in Clawar, S. and Rivlin, B.V., "Children Held Hostage: Dealing with Programmed and Brainwashed Children", American Bar Association (Rechtsanwaltsvereinigung), Division of Family Law, Chicago, IL.

Die meisten Publikationen zu PAS beginnen natürlich mit einer Definition des Begriffs Parental Alienation Syndrome.

Zunächst  die rein sprachliche Definition und Präzisierung des Begriffes ,,Alienation". Dazu aus Webster's Unabridged Dictionary:
1. alienate adj.[ME alienat, fr. L alienatus, past part. of alienare to alienate, fr. alienus stragne - more at ALIEN] obs: made unfriendly, hostile or indifferent: ESTRANGED
2. alienate : to cause to be estranged : make unfriendly, hostile, or indifferent esp. where attachment formerly existed [ her children are alienated from her; would ~ potential supporters among the faculty and student body]
3.: to cause to be withdrawn or transferred [~ capital..] SYN see ESTRANGE
alienation [ME alienacioum, fr. L alienation-,alienatio, fr. alienatus - -ion-, -io, -ion] 1: the act of alienating :as
a: a transfer of ownwership.
b: a withdrawing or separation of a person or his affection from an object or position of former attachment: ISOLATION, EXILE 2: the state of being alienated or diverted from normal function: specif.: mental derangement
alienation of affection: the diversion of a person's affection from someone who has certain rights or claims to such affection to a third person who is held to be the instigator or the cause of the diversion
alienist
[ ali'eniste , fr. ali'en'e insane, made insane (fr L. alienatus, lit. estranged, past part. of alienare to estrange) + -iste -ist -more at ALIEN]: one that treats deseases of the mind; esp: a physician specializing in legal problems of psychiatry, auch andere Bedeutung: fremd, Ausländer, Eigentumsübertragung
estranged wird auch oft in diesem Zusammenhang gebraucht: estranged wife, dazu WEBSTER: estrange SYN ALIENATE, DISAFFECT, WEAN: ESTRANGE may suggest development of hostility, separation, or divorcement ALIENATE may not suggest separation but does indicate a changing of affection, sympathy, and interest to coldness, aloofness, or antipathy

wie meistens, also keine genaue Entsprechung im Deutschen: im Gegensatz zu Entfremdung, die ja auch rein passiv (z.B. auf Grund langer Abwesenheit) entstehen kann, bedeutet alienate einen aktiven, auf Abneigung (ein Feindbild) hin gerichteten Akt, also hier konkret: das Kind dem anderen Elternteil abspenstig machen.

Die Definition von Gardner ist in der Einleitung seines Buches ,,The Parental Alienation Syndrome" (1998) enthalten, in der er auch auf die Kritik gegen PAS und ihn eingeht (zur Entstehung des Begriffs vgl. die Übersetzung aus Kap. III  der 1992 Auflage seines Buches.),  vgl. dazu auch deutschsprachigen Publikationen von Kodjoe&Koeppel (DAVorm 1/98), Ward&Harvey (Dum/Klenner) (ZfJ 6/98). 
 

was etwa so zu übersetzen ist:  

Gardner führt in der Einleitung seines Buches auch eine Liste von Symptomen an die PAS charakterisieren. Er betont dabei, daß diese Symptome, wie bei jedem Syndrom, eine gemeinsame Ursache haben [hier die Programmierung durch den entfremdenden Elternteil in Verbindung mit den Eigenbeiträgen des programmierten Kindes], aber nicht unbedingt alle gleichzeitig auftreten müssen. Bei moderaten und schweren Fällen sei dies aber meist der Fall und erkläre auch warum sich die Fallgeschichten so einander gleichen:

  1. Eine Kampagne der Verunglimpfung
  2. Vage, absurde, oder leichtfertige Erklärungen (Rationalisierungen) für die Herabsetzung
  3. Fehlen von Ambivalenz
  4. Das "unabhängige Denker" Phänomen
  5. reflexartige Unterstützung des entfremdenden Elternteils im elterlichen Konflikt
  6. Abwesenheit von Schuldgefühlen wegen Grausamkeiten und/oder Ausbeutung des entfremdeten Elternteils
  7. Die Gegenwart ausgeborgter Szenarien
  8. Ausbreitung der Feindseligkeit auf Freunde und/oder erweiterte Familie des entfremdeten Elternteils

R. A. Gardner, The Parental Alienation Syndrome. A Guide for Mental Health and Legal Professionals, 2nd Edition
Creative Therapeutics Inc., Creskill, New Jersey 07626-0522, USA (1998). ISBN 0-933812-42-6.

In den USA wurde seit den 70er Jahren ein dramatischer Anstieg von Sorgerechtsstreiten beobachtet, den Gardner auf 2 Faktoren zurückführt:

  1. Aufgabe der "tender years" Doktrin nach der Mütter, zumindest bei Kleinkindern, inhärent besser zur Kindererziehung geeignet sind als Väter. Diese Doktrin wurde durch den Primat des "Kindeswohl" ersetzt.
  2. Zunehmende Popularität der gemeinsamen Sorge.

Danach war das Sorgerecht, oder der Anteil der Zeit den die Eltern jeweils mit ihren Kindern verbringen können, offen und konnte Gegenstand von heftigen Auseinandersetzungen werden. Damit einher gehen Persönlichkeitsstörungen die vorher viel seltener beobachtet wurden und die dann Gardner erstmals unter dem Namen "Parental Alienation Syndrome" zusammenfasste, systematisch beschrieb, nach Ausmaß der Entfremdung kategorisierte und der Kategorie (leicht, moderat, schwer) entsprechende Interventions- und Behandlungsmethoden vorschlug.

Natürlich waren einzelne für PAS charakteristische Symptome schon lange vorher von einzelnen Therapeuten, Sachverständigen oder Richtern ("Leuchttürmen", nach Kodjoe&Koeppel, 1998) erkannt worden.

In dem aus einer Langzeitstudie (1971-1977) resultierenden, bahnbrechenden Buch "Surviving the Breakup" (1980) berichten die Autorinnen Judith S. Wallerstein und Joan B. Kelly z. B. über dramatische Änderungen in der Eltern-Kind-Beziehung bei der die Kinder in den Haß eines Elternteils gegen den anderen einbezogen und treue und wertvolle Kampfgenossen im Familienkrieg werden, etwa dem oben angeführten Symptom Nr. 5 entsprechend. Die extremste Form der Identifizierung mit der Agenda eines Elternteils nannten sie "alignment" (Ausrichtung, Solidarisierung, Identifizierung). Die 9-12 jährigen Kinder erwiesen sich dafür besonders empfänglich. Überidentifizierung mit der Mutter war weit häufiger und dauerte länger an als Überidentifizierung mit dem Vater. Generell wies die Solidarisierung mit dem sorgeberechtigten Elternteil eine erstaunliche Beständigkeit auf, vermutlich auf Grund der täglichen Bestärkung.

Aktive Umgangsvereitelung, Kassieren oder Zurückweisen von Korrespondenz oder Geschenken durch den entfremdenden Elternteil, Verweigerung der Auskunft über das Kind, Beschimpfungen, aber auch unbegründete Anschuldigungen von häuslicher Gewalt oder sexuellem Kindesmissbrauch können Teil von PAS sein (vgl. Klenner, "Rituale der Umgangsvereitelung", 1995) und sind als solche meist leichter zu erkennen und zu bewerten als die subtileren Methoden der Gehirnwäsche und der aus der Psychodynamik des Kindes dann resultierende, wichtige und das eigentliche Neue ausmachende Anteil. Bei letzteren ist kaum zu erwarten, dass sie ohne spezielle psychologische Schulung in Gesprächen mit dem Kind und dem entfremdenden Elternteil, oder in den meist sehr kursorischen richterlichen Anhörungen hinreichend erkannt werden. Insbesondere dadurch kann die für die Sorge/Umgangsregelung jetzt besonders wichtige Erkundung des "Kindeswillens" sehr leicht verfälscht werden.

Zu beachten ist auch, dass Kinder, gerade bei einer richterlichen Anhörung, meist unter erheblichem Druck wegen der gegen den Zielelternteil gerichteten Erwartungshaltung des entfremdenden Elternteiles stehen.  Nicht selten wandelt sich aber der geäußerte, ablehnende "Kindeswille" bei einer ungezwungeneren Begegnung mit dem Zielelternteil, so sie denn ermöglicht wird, sehr rasch in Zuneigung um. Solche Kinder wollen, was völlig natürlich (und ihr Recht) ist, beide Eltern lieben dürfen und leiden erheblich unter den ihnen aufgezwungenen Loyalitätskonflikten. Es liegt nahe, wegen ihrer Ursachen und Auswirkungen, auch solche Verhaltensmuster unter dem Begriff PAS zu subsumieren, obwohl, anders als in der Definition von Gardner, nur eine scheinbare, temporäre, nicht aber eine tatsächliche, aktive Ablehnung eines Elternteiles durch das Kind vorliegt. Bei einer so breiten Anwendung des PAS Begriffes ist natürlich eine Diskussion erst recht überflüssig, ob es sich dabei um ein Syndrom oder gar um eine Krankheit handelt. Vielleicht ist es dann sogar sinnvoller zunächst aufzuzeigen was nicht PAS ist, wie etwa Verweigerung von Umgang mit einem Kleinkind durch Sorgeberechtigte, eine Übergangsangst eines Kleinkindes bei ersten Umgangskontakten (es sollte darauf vorbereitet werden), oder selbstverständlich auch nicht eine begründete Angst oder Ablehnung wegen schwerer Misshandlung.

Auf die, den vermeintlichen "Kindeswillen" betreffenden Punkte, die Auswirkungen der PAS Programmierung auf das Kindeswohl und die raschestmögliche Ergreifung geeigneter Interventions/Therapiemaßnahmen zu dessen Wahrung kommt es an, und nicht welchen Namen man den Persönlichkeitsstörungen des entfremdenden Elternteiles und den seelischen Misshandlungen des Kindes gibt. Bakalar erwähnt in seinem Aufsatz zu PAS in der Tschechischen Republik(ZfJ 6/98) z.B. ein detailliertes Forschungsprojekt (Trnka, 1974) das eine hohe Korrelation zwischen kindlichen Störungen und dem Grad seiner "Aufwiegelung" zeigte. Erwähnt werden muß hier unbedingt auch die deutsche Langzeitstudie (1980-1992) über Familien nach der Scheidung (Anneke Napp-Peters, 1995), auch wenn darin der Name PAS noch nicht erscheint. Diese Studie weist sehr eindringlich darauf hin, dass ausschlaggebend für die Langzeitfolgen für das Kind vor allem die Beziehungen und elterlichen Aktivitäten nach der Scheidung (die ko-elterlichen Interaktion) sind, die es jedem Partner erlauben, verantwortlich am Leben seiner Kinder teilzunehmen. Sie bestimmen u.a. ob diese Kinder später als Erwachsene zu Intimität, Nähe und stabilen Beziehungen fähig sind.

Gardner geht in der erweiterten Neuauflage seines Buchs "The Parental Alienation Syndrome" (1998) sehr ausführlich auf alle Kritikpunkte ein, die zum Teil in persönliche Angriffe auf ihn ausarteten. Einen Teil dieser Kritik hat er sich, wie er jetzt auch eingesteht, selbst eingehandelt, weil er zunächst nicht deutlich genug zwischen PAS und Anschuldigungen von Kindesmisshandlung / Kindesmissbrauch unterschied. Solche Anschuldigungen werden zwar häufig als ultimative "Waffe" (vgl. Ward & Harvey, Familienkriege - die Entfremdung von Kindern) bei PAS eingesetzt, machen aber nicht dessen Kern aus. Es gibt viel subtilere Methoden der Gehirnwäsche zur Entfremdung des Kindes vom anderen Elternteil. Selbstverständlich muss aber zwischen tatsächlicher Misshandlung/Missbrauch, wo eine Ablehnung dieses Elternteils gerechtfertigt ist, und Anschuldigungen streng unterschieden werden. Auch darauf geht Gardner in der Neuauflage seines Buches (Kap. 9) ausführlich ein. Er betont auch, daß PAS Programmierung selbst eine seelische Misshandlung darstellt.

Einem weiteren Kritikpunkt, PAS sei gegen Mütter gerichtet, versucht Gardner jetzt auch ausführlich zu begegnen, in dem er mehr Wert darauf legt, soweit wie möglich eine geschlechtsneutrale (wenn auch umständlichere) Sprache zu verwenden. Unverständlich ist allerdings, dass er zur Häufigkeitsverteilung Väter/Mütter bei PAS Programmierung eine simple Befragung der Kollegenschaft anführt, nach der es in erster Linie die Mütter sind die im Sinne von PAS auf die Kinder einwirken. Die simple Tatsache, dass die Mütter auch meist das Sorgerecht haben, oder bei gemeinsamer Sorge, immer noch überwiegend die betreuende Person sind, von der die Kinder noch dazu abhängig sind, wird dabei nicht angeführt. Wir meinen, dass sich allein aus dieser Machtverteilung das Überwiegen der Mütter bei der PAS Programmierung weitgehend erklärt und darüber hinausgehende geschlechtsspezifische Faktoren eigentlich unwesentlich sind, zumindest was die Häufigkeitsverteilung betrifft. Möglicherweise gibt es darüber hinaus auch unterschiedliche psychologische Faktoren. Auf diese versucht Gardner in Kap. V seines neuen Buches einzugehen, das die klinischen Manifestationen von PAS beim entfremdenden Elternteil beschreibt. Die des entfremdeten Zielelternteils werden in Kapitel 6 beschrieben und die beim Kind in Kap. 4. Kapitel 3, schließlich, geht auf zugrunde liegende Persönlichkeitsstörungen, Hysterie, Paranoia und Psychopathologie, ein.

Wir erwähnten relevante empirische Studien nicht zuletzt auch deshalb, weil ein weiterer Einwand gegen PAS und Gardner auch ist, PAS lägen keine hinreichenden empirischen Studien zugrunde. Wenn gar geringschätzig von "Gardners Theorie" gesprochen wird, ist Gardner selbst daran ebenfalls nicht ganz unbeteiligt, weil er sich in seinen Veröffentlichungen vielleicht zu ausschließlich auf seine persönlichen, zweifellos aber äußerst umfangreichen Erfahrungen aus seiner langjährigen Privatpraxis, vor allem als Sachverständiger, bezieht. (Das Buch enthält aber auch viele Literaturhinweise.) Weitere empirische Studien über die Langzeitfolgen von PAS und den Langzeiterfolg von Therapie- oder Interventionsmaßnahmen sind sicher sehr erstrebenswert.
 

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