Wer  kontrolliert das Jugendamt?

Wir mussten  in letzter Zeit wiederholt auf  Berichte in Presse und Fernsehen hinweisen, die massive Kritik an der Arbeit der Jugendämter enthielten und die ernste Frage aufwarfen, wer  eigentlich die Jugendämter kontrolliert.

Dazu zunächst eine Transkription aus einem solchen Bericht, dem ARD REPORT vom 6.9.2004:  Kindesentzug auf Verdacht - Wie Familien auseinandergerissen werden.  In diesem Fall wurde eine Mutter auf Grund einer Anhörung beim Amtsarzt, aber ohne psychiatrisches Fachgutachten, verdächtigt an Münchhausen Stellvertreter Syndrom zu  leiden. Ihr Kind, das laut den behandelten Ärzten wie die Mutter an Borreliose erkrankt ist, wurde auf Veranlassung des Jugendamtes in die Uniklinik Erlangen zur Zwangsuntersuchung gebracht.
Auf  Anfrage von REPORT wollte das zuständige Jugendamt sich nicht äußern. Begründung: Dies widerspreche dem Wohl des Kindes. Experten sehen in der Macht der Jugendämter einen Fehler im System. Prof. Uwe Jopt, psychologischer Sachverständiger, Universität Bielefeld:  ,,Sie können gegen jeden Beschluss eines Gerichtes in die Beschwerde gehen, Berufung einlegen, sich gegen Irrtümer zur Wehr setzen. Nur, wenn das Jugendamt eine Maßnahme trifft,  gibt es kein Rechtsmittel dagegen. Es kontrolliert niemand das Jugendamt, außer im behördlichen Rahmen der Dienstleiter, aber es gibt keinen Beschwerdeweg für betroffene Dritte."

Dem ist leider nicht all zu viel hinzufügen. Auch wenn es auf Grund fundamentaler Fehler im System keinen klaren, vorgezeichneten Beschwerdeweg gibt, mag es sich lohnen, die verbleibenden rechtlichen Möglichkeiten durch Juristen prüfen zu lassen.

Nachtrag vom 21.10.2004: Wir werden so rasch wie möglich über die Details der grundsätzlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.10.2004 berichten. Zu unterscheiden ist allerdings zwischen Pflichtverletzung wie in diesem Fall, anderen Verwaltungsentscheidungen des Jugendamtes, und Stellungsnahmen des Jugendamtes ,,aus fachlich-pädagogischer Sicht", wie es oft heißt. Oft werden diese Stellungnahmen zum Sorge-/ Umgangsrecht sogar als "Gutachten" bezeichnet/betrachtet, obwohl sie den dafür erforderlichen wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen und die "GutachterInnen" überhaupt nicht über eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung verfügen. (Sie sind dagegen unserer Meinung nach sehr wohl ausgebildet z. B. für die Verwaltung der sehr fortschrittlichen Jugendhilfe Maßnahmen im Kinder- und Jugendhilfegesetz, SGB VIII, wie Eingliederungshilfe auf Grund eines kinderpsychiatrischen Gutachtens.) Wir halten die den Jugendämtern dabei zugesprochene Macht, einschließlich der des Widerspruches gegen eine richterliche Entscheidung, für einen grundlegenden Fehler im deutschen Rechtssystem, eine Macht die es anderswo auf diese Weise nicht gibt. Dies vor allem, weil man sich des Eindrucks nicht erwehren kann,  dass viele Richter, mangels eigener, entsprechender Ausbildung und Fortbildung  (Entscheidungen im Kindschaftsrecht sind auf die langfristige Zukunft des Kindes ausgerichtet und unterscheiden sich daher grundsätzlich von der Aburteilung eines Ladendiebes, Verkehrssünders, etc.), sich fast blind auf die "Expertisen" des Jugendamtes verlassen. Zu diesem längst bekannten Mangel in der Richterausbildung hat sich jüngst Herr Prestin, selbst Familienrichter, in der Sendung Die Ohnmacht der Väter sehr deutlich geäußert.

Aus uns bekannten Berichten Betroffener lässt sich noch folgendes feststellen: 

Zunächst ist festzuhalten, dass entgegen noch immer verbreiteter Meinung, die Landesjugendämter lediglich beratende Funktion haben, also keine übergeordnete fachliche Kontrolle ausüben. Eine solche gibt es es leider nicht. Die Jugendämter sind Teil der kommunalen Selbstverwaltung, unterstehen also dem Oberbürgermeister oder dem Landrat. Wie sich das auswirken kann, sei an einem Beispiel erläutert, das hoffentlich einen Extremfall darstellt: Ein Beschwerdeschreiben, in dem sogar von einer notwendigen ,,strafrechtlichen Würdigung" des ASD Leiters wegen mutmaßlicher Urkundenfälschung / Urkundenunterdrückung die Rede war, wurde vom Oberbürgermeister einfach an diesen zur "Beantwortung" weiter gereicht!  Der hatte die Existenz von Dokumenten selbst dann noch bestritten, als sie schon längst dem Beschwerdeführer vorlagen. Diese Dokumente waren zum Zeitpunkt der Strafanzeigen des Beschwerdeführers selbst der Staatsanwaltschaft vorenthalten worden und zugleich waren die zuständigen MitarbeiterInnen des Allgemeinen Sozialdienstes mit einem Aussageverbot gegenüber der Staatsanwaltschaft belegt worden. Nicht allzu überraschend, sämtliche Strafverfahren wurden eingestellt.

Dennoch sollte man nicht gleich aufgeben, wenn es sich wirklich um einen sachlich gut begründeten Beschwerdefall handelt. Von unsachlichen Aktivismus raten wir, wie immer, dringend ab. Sachlichkeit und Beharrlichkeit sind gefragt. Im obigen Fall wurde ein früheres Beschwerdeschreiben von der Stadt zunächst mit der Behauptung beantwortet, die Kinder selbst hätten in einem Beratungsgespräch die massiven Vorwürfe gegen ihren Vater erhoben. Dieser wusste jedoch direkt von seinen Kindern, dass sie bei dem Gespräch gar nicht anwesend waren, sondern nur die mit einer Stellungnahme für das Familiengericht betraute ASD Mitarbeiterin und die "Aufdecker" einer Beratungsstelle, und das ohne jede Zustimmung oder Schweigepflichtentbindung zumindest seitens des Vaters. Mit Beharrlichkeit konnte der Stadt wenigstens schließlich das Eingeständnis abgerungen werden, dass es sich bei der früheren Behauptung über die Aussage der Kinder ,,um ein Versehen" gehandelt hätte.

In einem anderen ähnlich gelagerten Fall konnte durch Beharrlichkeit, aber auch durch "Öffentlichkeitsarbeit", nach langer Zeit schließlich erreicht werden, dass die unter enger Zusammenwirkung desselben "Aufdeckers" und Jugendamt vorgenommene Heimeinweisung schließlich aufgehoben wurde und dem vorher beschuldigten und ausgegrenzten Vater (einschl. gerichtlichem Umgangsausschluss) sogar mit Zustimmung / Befürwortung des Jugendamtes das alleinige Sorgerecht übertragen wurde. Den Medien (Presse / Fernsehen) kommt  nach wie vor in solchen Fällen hohe Bedeutung zu, wo eigentlich klar vorgezeichnete rechtstaatliche Prinzipien greifen sollten. Es hilft sicher auch, damit man mit seiner Beschwerde ernst genommen wird, auf ähnlich gelagerte Fälle hinweisen zu können.

 
Zunächst sollte man auf jedem Fall versuchen das Problem direkt mit der zuständigen MitarbeiterIn zu lösen. Wenn das nicht hilft, sollte man versuchen, sich in der Hierarchie der Behörde allmählich nach oben zu arbeiten. Was man damit erreicht, hängt vom Einzelfall und den betreffenden Personen ab. Aber es ist durchaus möglich, wie wir aus einzelnen Berichten wissen, z. B. wenigstens die Ablösung der betreffenden MitarbeiterIN und eine neue, ,,bereinigte" Stellungnahme zu erreichen. Manchmal hat es sich auch bewährt, obwohl dies bei den Jugendämtern meist auf zunächst heftige Ablehnung stößt, Zeugen zu wichtigen Gesprächen mit dem Jugendamt mitzubringen, oder Gespräche zu protokollieren und sich dieses Protokoll bestätigen zu lassen.


Es  ist auch möglich Akteneinsicht zu verlangen. Darauf sollte man beharren, selbst wenn dies zunächst meist mit dem Argument die Rechte Dritter schützen zu müssen pauschal abgelehnt wird. Mit demselben Argument werden  dann meist Teile aus der schließlich vorgelegten Akte entfernt. Man sollte darauf achten, ob diese Stellen genau gekennzeichnet sind und ob die Seiten vollständig durchnummeriert sind. Auch lohnt es sich darauf zu dringen, Kopien anfertigen zu dürfen. Wenn die Akteneinsicht unbefriedigend ist, oder ganz abgelehnt wird, kann man auf diesem Weg wenigstens  im Beschwerdeverfahren  an die übergeordnete Verwaltungsbehörde für den Regierungsbezirk gelangen. Diese kann das Jugendamt zur Stellungnahme auffordern. Allerdings ist das Beschwerdeverfahren auf Verwaltungsangelegenheiten beschränkt, die Stellungnahmen des Jugendamtes z. B. zum Sorgerecht, oft als "Gutachten" bezeichnet, obwohl sie wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen, sind davon ausgenommen. Gegen einen ablehnenden Bescheid dieser Behörde (Bezirksregierung) ist dann der Weg beim Verwaltungsgericht offen. Selbst wenn damit nicht eine negative Stellungnahme des Jugendamtes etwa zum Sorge- oder Umgangsrecht, aus dem Weg geschafft werden kann, so sollten solche Beschwerdeverfahren doch dazu führen, den Jugendämtern deutlich zu machen, dass sie nicht völlig ,,im quasi-rechtsfreien Raum" (RA Peter Koeppel in der Sendung FLIEGE vom 5.7. 2004) operieren können. Im oben erwähnten Fall konnte der Beschwerdeführer zusätzlich wenigstens auf diesem Wege, wenn auch verspätet, in Dokumente Einsicht nehmen, die ihm wichtige Hinweise gaben, wie mit seinen Kindern umgegangen worden war. Solche Verfahren sind an sich nicht mit nennenswerten Kosten verbunden, obwohl es sich lohnen mag fachlich qualifizierten juristischen Beistand zu suchen.
 
Eine andere Möglichkeit gegen fatale Entscheidungen des Jugendamtes vorzugehen sollte die einer Zivilklage auf Schadensersatz sein. Aus den USA sind erfolgreiche Klagen mit hohen Schadenssummen gegen Jugendschutzbehörden (die allerdings bei weitem nicht eine vergleichbar umfangreiche Aufgabenstellung und Machtstellung wie bei uns haben) z. B. bei unbegründeten Missbrauchsverdächtigungen bekannt geworden. Dass diese Möglichkeit aber auch hier nicht  ausgeschlossen wird, zeigt der Fall eines langjährigen "Aufdeckers" von angeblichen sexuellem Kindesmissbrauch und Gewalt  in Zusammenhang mit Trennung / Scheidung, über den der SPIEGEL berichtet hat. Aus einem Rundschreiben (Juni 1998) des betreffenden Jugendamtes stammt folgendes Zitat:

,,der AK Kinderschutz befaßt sich zur Zeit mit der Verunsicherung von MitarbeiterInnen im Arbeitsfeld sexuellen Mißbrauchs. Zum einen gründen sich immer mehr Gruppen und Vereine, die durch anonym abgesandte Rundschreiben an Beratungseinrichtungen und bundesweiten Aktionen u. a. gezielte Verunsicherung und Einschüchterungen vornehmen.  Zum anderen, haben die Artikel in der Zeitschrift "Der Spiegel" im Herbst '97 zum Thema sexueller Mißbrauch dazu beigetragen, daß MitarbeiterInnen verdächtigt, belastet, in Fachkreisen verunglimpft werden; daß einseitige Darstellungen in der Presse erscheinen, die einem Rufmord gleichkommt."

Dieses Schreiben hatte einen sehr breiten Verteiler, der die Beratungsstellen, Kirchen, Wohlfahrtsverbände etc. im gesamten Großraum der Stadt einschloss. Eine öffentliche Stellungnahme zum SPIEGEL Bericht und anderen Presseberichten, oder gar Übernahme von Verantwortung, erfolgte jedoch nicht, auch nicht durch die kirchlichen Stellen, als Träger des betreffenden Beratungszentrums.

Dem Schreiben, lag eine etwa gleich lautende Erklärung der MitarbeiterInnen des kirchlichen Beratungszentrums bei, die ihren Kollegen in Schutz nahm und als ,,Opfer" darstellte. Dieser hatte allerdings schon längst das Weite im Ausland gesucht, nachdem auch die Leitung des Jugendamtes (mit der es schließlich zu einem sehr ausführlichen Gespräch mit Betroffenen gekommen war), trotz behaupteter früherer ,,guter Erfahrung" mit diesem "Familientherapeuten", offenbar auf Distanz zu ihm gegangen war und auch mehrere Strafanzeigen erstattet worden waren.
Beigefügt war diesem weit verbreiteten Rundschreiben des Jugendamtes bemerkenswerter Weise auch der Aufsatz von  Prof. Dr. Rainer Ollmann, Hamburg,  Schadensersatz wegen Mißbrauchsverdächtigung? ZfJ - Zeitschrift für Jugendrecht, 12/96, Seiten 486-494, auf den auch wir hiermit ausdrücklich hinweisen möchten. Der Aufsatz befasst sich aus rechtlicher Sicht sehr ausführlich mit der Haftung des Trägers von Beratungseinrichtungen (§§ 823 I und Il,  826, 421 BGB), den entsprechenden kirchlichen Regelungen, und der Datenweitergabe durch das Jugendamt.

Dazu ebenfalls ein weiterer Aufsatz: Ollmann, R., Rechtliche Aspekte der Aufdeckung von sexuellem Mißbrauch. Zentralblatt für Jugendrecht, 81, 151-157, 1994 (auch in Marchewka, 1996,  vergriffen).

Selbstverständlich gelten diese rechtlichen Aspekte nicht nur bei ungerechtfertigten Missbrauchsverdächtigungen, wie sie leider im Zusammenhang mit Trennung / Scheidung so häufig erfolgen, bei hohem Konfliktpotential als "ultimative Waffe" sogar fast als Regelfall. Vergleiche dazu auch unseren Bericht ,,Bundesgerichtshof stellt Mindestanforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten bei Verdacht auf sexuellem Kindesmissbrauch"
 

 

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